Mein „Dienstplan“

In der Umgebung gab es eine Menge sogenannter Milchmütter. Das sind Frauen, die die Milch von den weniger entfernten Farmen abholten, um sie auf dem Markt zu verkaufen. Natürlich mussten die Farmer die Milch zu Spottpreisen abgeben, denn die Milchmütter wollten auch noch etwas an dieser Flüssigkeit, die oft verdächtig blau aussah, verdienen.

Die Estanzieros hatten zu wenig Zeit, die schweren Kannen selbst auf den Markt zu bringen, und waren deshalb auf die Milchmütter angewiesen.

Meinem Vater wurde das jedoch bald zu bunt und er entschloss sich, mich jeden Tag nach Asuncion zu schicken, um dort Kunden zu suchen, und sie täglich zu beliefern. Der Gedanke war nicht schlecht und auch sehr leicht ausführbar.

Ich musste nun morgens um zwei Uhr aufstehen, Kaffeetrinken und den Esel mit den großen Ledertaschen beladen, in die dann die Milchkannen mit je zwanzig Liter, hineingestellt wurden. Mein Vater und meine Stiefmutter hatten inzwischen die Kühe gemolken, und die Milch nach den geltenden Bestimmungen mit „Maria hilf“ gemischt. Dann begann der Marsch zum Bahnhof Luque. Um vier Uhr fuhr der Zug nach Asuncion ab, wo er eine Stunde später ankam.

Hier musste ich nun die Milch an die Kunden, die ich mir selbst angeworben hatte, austragen. Meistens konnte ich dann mit dem Siebenuhr-Zug zurückkehren. Hatte ich jedoch Besorgungen zu machen, dann kam ich erst zwei Stunden später an. Am Bahnhof band ich dann den Esel los, der immer dort warten musste, und ritt auf unsere Farm zurück. Hier musste ich dann Feuerholz zusammensuchen, das immer von den Kokospalmen herunter fiel. Später wurde Mittag gegessen. Nachmittags hatte ich dann Früchte zu pflücken, Schweine zu füttern usw. Nach dem Abendessen ging es sofort ins Bett, denn sonst hatte ich am anderen Tage nicht ausgeschlafen.

Das war so ungefähr mein Dienstplan, den ich auch einige Monate pflichtgetreu ausführte. Es war keinesfalls daran zu zweifeln, dass die Idee meines Vaters gut war. Dadurch hatte er eine ständige Verbindung mit der Hauptstadt, und andererseits bekam er viel mehr für seine Milch, als wenn er sie an die Milchmütter verkauft hätte.

Man konnte wirklich nicht übersehen, dass Vater organisatorisch auf der Höhe war. Doch eines hat er dabei nicht bedacht, nämlich, dass ich durch diese ständigen Fahrten wieder mehr Zuversicht zum Gelingen einer neuen Flucht finden könnte. Noch dazu, wo mir immer eine ganz ansehnliche Menge Geld anvertraut war.

Einer meiner Milchkunden war ein Schuster, mit dem ich mich ganz besonders angefreundet hatte. Oft saß ich stundenlang in seiner Werkstatt und ließ einfach meinen Zug davonfahren. Diesem Mann klagte ich mein Leid und erzählte ihm, dass ich immer soviel Schläge bekommen würde, und lieber heute als morgen nochmals ausreißen möchte. Natürlich kannte er auch schon die Geschichte meiner ersten Flucht, die ja leider so verunglückt war. Er verstand mich vollkommen, und machte mir den Vorschlag, bei ihm das Schusterhandwerk zu erlernen. Einer seiner Gesellen müsste sowieso in nächster Zeit zum Militär, und dann würde ein Platz an seinem Werktisch frei werden. Bis dahin sollte ich bei der Schwester seiner Frau als Kindermädchen und Küchenhilfe untergebracht werden.

Ich war von diesem Vorschlag sehr begeistert und willigte ein.

An diesem Tage fuhr ich erst mittags nach Luque zurück, schlich mich ungehört und ungesehen an unsere Farm heran, stellte die Milchkanne ins Gras und ließ den Esel laufen. Das eingenommene Geld knotete ich in mein Taschentuch und warf es in eine der Kannen, die dann später von meinem Vater gefunden wurden. Dann ging es im Laufschritt nach Luque zurück, und ich erreichte den Zug gerade noch vor seiner Abfahrt nach Asuncion.


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