Meine „Jaguar-Safari“

Nun könnte ich ja noch etwas von Löwen erzählen, aber die gab es leider damals in Südamerika noch nicht. Dafür gab es Jaguare. Ich will deshalb ein kleines Erlebnis einer Jaguarjagd schildern

Es war eine lustige Gesellschaft, die sich da eines Tages zusammengefunden hatte. Durch Zufall erfuhr ich in letzter Minute davon und machte mit, denn so etwas wollte ich mir nicht entgehen lassen. Es war auch an einem Sonntag und so hatte ich ja genügend Zeit.

Die Gesellschaftsmitglieder waren zumeist Russen, ein paar Deutsche und Italiener.

Zwei Indianer waren die Führer, denn in deren Dorf hausten die Raubtiere so sehr, dass eben unbedingt einmal Jagd auf sie gemacht werden musste.

Früh am Morgen ging es los. Die Russen waren ausgerüstet, als wollten sie die Wüste Sahara durchwandern, die Italiener hatten Waffen dabei als wollte sie einen ganzen Stamm ausrotten und die Deutschen?  Ja, die hatten Gesichter darunter, dass einem angst und bange werden konnte. Mir wäre jedenfalls so ein langer Bart bei einem solch aufregendem Abenteuer viel zu unpraktisch gewesen, als dass ich mich damit rumgeschleppt hätte.

Auf dem Boot, das uns über den Rio Parana trug, ging es schon sehr lustig zu. Die Russen probierten ihre Gewehre aus uns störten dabei ihre Kameraden, die am Bug des Bootes Platz genommen hatten und sich den heißen Matetee aus der Bombilia und den bunt angestrichenen Schalenkürbissen schmecken ließen. Gegen acht Uhr trat der gemischte Trupp seinen Marsch ins Innere des Grand Chacos an. Unter dem grünen Dach des Urwaldes war eine schwüle Treibhausluft, die immer drückender wurde, je tiefer wir in den Wald eindrangen. Die Indianer stolperten ein paar Schritte voraus und zeigten uns den Weg. Ein richtiger Weg war das natürlich nicht, sondern nur so ungefähr die Richtung. Die beiden Indianer arbeiteten eifrig mit ihren Macheten um einen schmalen Pfad freizubekommen. Dabei redeten sie ununterbrochen auf den Dolmetscher ein, der die lange Reihe der Europäer anführte. Dann folgten ein paar Eingeborene aus Asuncion, die die mitgebrachten Gewehre zu tragen hatten. In der Mitte gingen zwei Deutsche, die sich überhaupt nicht an der Unterhaltung beteiligten. Sie wurden auch von den übrigen Teilnehmern der Expedition kaum beachtet, weil sie einen eigenartigen Eindruck machten. Äußerlich sahen sie wie armselige Bettler aus und wenn sie einmal ein Wort sprachen, dann konnte man sie nicht verstehen.

Mittags langten wir in dem Dorf an, in dem die Raubkatzen hausen sollten. Es gab, wie nicht anders zu erwarten, gekochtes Rindfleisch mit Mandioka. Anschließend wurde noch ein selbstgebrannter Schnaps herumgereicht, von dem auch ich so viel trinken durfte, wie ich wollte.

Um vier Uhr machten wir uns dann auf, um den Jaguaren aufzulauern. Wir liefen den ganzen Nachmittag im Walde herum, bekamen aber nichts zu sehen.

Die Russen waren ganz aufgelöst vor Zorn, die Italiener und die Deutschen schimpften wie die Rohrspatzen und die Indianer waren verzweifelt, ob ihres Unglücks. Am Abend wurde ein Lagerfeuer angezündet und wir wickelten uns in unsere Decken. Die beiden Deutschen, von denen ich schon als sonderbare Käuze berichtet habe, waren von ihrem Pirschgang noch nicht zurückgekehrt.

Wir lagen ruhig auf dem Boden und schauten in die züngelnden Flammen des Lagerfeuers, als plötzlich in nächster Nähe zwei Schüsse krachten. Alles fuhr entsetzt in die Höhe und man war der Meinung, ein wilder Indianerstamm wollte das Dorf überfallen. Die Italiener zitterten am ganzen Körper, denn sie malten sich schon die entstellten Gesichter der Indios aus. Aber kein Indianer war zu sehen. Doch nach einigen Minuten kamen die Übeltäter zum Vorschein. Es waren die beiden Deutschen, die außer mir noch niemand vermisst hatte.

Sie suchten sich zwei Stangen und verschwanden, ohne ein Wort zu sagen, wieder im Dunkel des Dickichts um bald darauf mit ihrer Beute zurückzukehren. Im Schein des Feuers leuchtete uns ein wunderbares Fell entgegen, das über und über mit schwarzen Tupfen besprenkelt war. Zwischen den nun erloschenen Lichtern sickerte das Blut noch immer in dicken Tropfen aus einer kreisrunden Schusswunde.

In dem Bewusstsein ihres errungenen Sieges setzten die beiden die Totenbahre, auf der der Jaguar festgebunden war, am Feuer nieder. Alle stürzten auf das tote Tier zu und bewunderten das herrliche Fell. Die Indianer konnten nun ihren Schmerz in Freude verwandeln, was sie auch ausgiebig taten. Nach dumpfen Trommeltakten tanzten sie hurtig im Kreis herum und sangen die melancholische Melodie eines Heimatliedes, natürlich in ihrer Sprache. Die Europäer konnten sich an dem geschossenen Raubtier nicht satt sehen, bis es endlich von seinem weichen Kleid befreit war.

Alle waren glücklich, dass man wenigstens einen Jaguar geschossen hatte und alle waren auf die beiden schweigsamen Deutschen neidisch, die das Glück hatten, dem Raubtier begegnet zu sein.

Was mit dem Fell geworden ist, weiß ich nicht. Ich habe es jedenfalls nicht bekommen.

Als ich am nächsten Abend wieder bei meinem Meister angelangt war, musste ich ihm alles erzählen. Er sagte, es wäre früher auch einmal ein leidenschaftlicher Jäger gewesen, aber ich glaubte, dass er geschwindelt hatte. Wie konnte er sonst so ungewöhnlich ängstlich sein?

Natürlich sagte ich es ihm nicht, dass ich ihm nicht glaubte. Man soll ja nicht alles sagen, was man so denkt. Das hat mir Herr Genes einmal beigebracht.

Von meinem ersparten Geld, das ich mir von meinem monatlichen Gehalt zurücklegen konnte, kaufte ich mir einmal ein Paar Schuhe, ließ mir die Haare schneiden, bezahlte das Briefporto oder verwendete es für sonstige nützliche Zwecke. Von Sparen konnte da nicht viel die Rede sein, denn ich verdiente nicht besonders viel, obwohl die deutsche Gesellschaft meiner Mutter mitgeteilt hatte, ich hätte das Gehalt einer jüngeren Hausangestellten.

Ich verdiente im Monat dreihundert paraguanische Pesos, das sind nach deutschem Geld ungefähr 2,70 DM. Wenn auch das Leben drüben bedeutend billiger war, als im alten Vaterlande, so konnte man auch mit diesem „Gehalt“ in Südamerika keine großen Sprünge machen. Immerhin reichte es aus, das Lebensnotwendigste zu beschaffen. Später erhöhte mein Meister den Verdienst auf 450 Pesos. Wollte ich mir nun von diesem Geld die Heimreise nach Deutschland zusammensparen, so hätte ich mindestens sechs bis acht Jahre gebraucht, ohne irgendwelche anderen Ausgaben haben zu dürfen. Das dürfte also als hoffnungsloses Unternehmen angesehen werden. Es musste also unbedingt ein anderer Weg gefunden werden.


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